Ab dem kommenden Mittwoch, 27.01.2021, tritt die am 20.01.2021 von der Bundesregierung verabschiedete SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung in Kraft. Die am heftigsten umstrittene Neuregelung betrifft die Verpflichtung für Arbeitgeber, „den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen."
Verjährung von Urlaubsansprüchen?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob ein Urlaubsanspruch der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Die vom BAG aufgeworfene Frage ist für Arbeitgeber von überragender praktischer Bedeutung.
So beschäftigen Rechtsstreitigkeiten wegen nicht genommener Urlaubstage immer wieder die Arbeitsgerichte. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub grundsätzlich im laufenden Jahr, spätestens aber in den ersten drei Monaten des Folgejahres (sog. Übertragungszeitraum) genommen und gewährt werden. Grundsätzlich erlischt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums.
Arbeitgeber haben eine Mitwirkungsobliegenheit
Das BAG hat allerdings mit Urteil vom 19.02.2019 auf die Rechtsprechung des EuGH aus dem Jahr 2018 reagiert und entschieden, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann erlischt, wenn der Arbeitgeber zuvor über den konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nach dieser Rechtsprechung - erforderlichenfalls förmlich - dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht nimmt.
Die Praxis und die Folgeprobleme
Die Praxis zeigt jedoch, dass kaum ein Arbeitgeber diese strengen Vorgaben des EuGH und des BAG einhält. Kommt der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, verfällt der Urlaub nicht und wird zu den neu entstehenden Urlaubsansprüchen addiert. Aber auch für die Vergangenheit stellt sich das Problem: Welche alten - verfallen geglaubten - Urlaubsansprüche kann der Arbeitnehmer noch geltend machen, da die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers vor den Jahren 2018/2019 gar nicht bekannt waren? Da die Arbeitszeitrichtlinie, auf die sich die Rechtsprechung des EuGH sowie des BAG stützt, im Jahr 2004 in Kraft getreten ist, könnten die Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern theoretisch so lange zurückreichen.
Eine Verteidigungsstrategie von Arbeitgebern kann es sein, sich auf die Verjährung zu berufen. Nach §§ 194 ff. BGB unterliegen Ansprüche grundsätzlich der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende beginnend mit Kenntnis oder Kennenmüssen der den Anspruch begründenden Umstände. Ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen, ist im Arbeitsrecht allerdings umstritten und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Verjährung berufen, wenn er seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist (LAG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.2020 - 10 Sa 180/19). Das LAG Düsseldorf hat es in der Begründung offen gelassen, ob es zu diesem Ergebnis gelangt, weil die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB durch das eigenständige Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG verdrängt werden oder weil sich der Urlaub in den Fällen, in denen der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, gerade nicht aufgrund von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG fortschreibt, sondern zu dem am 01.01. des Folgejahres neu entstehenden Urlaubsanspruch hinzutritt und in "Verschmelzung" mit diesem aufs Neue dem Jahreszyklus der § 7 Abs. 3 BUrlG unterfällt, was solange kumulierend vonstattengeht, bis der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen sei.
Vor diesem Hintergrund hat das BAG nunmehr den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob ein Urlaubsanspruch der gesetzlichen Verjährung unterliegt (BAG, Beschl. vom 29. September 2020, Az.: 9 AZR 266/20).
Ausblick
Die zu erwartende Entscheidung des EuGH ist aus Arbeitgebersicht mehr als nur theoretischer Natur. Angesichts der überaus arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung des EuGH wäre es nicht überraschend, wenn der EuGH Urlaubsansprüche nicht dem Verjährungsregime unterwirft oder Raum für längere Verjährungsfristen als die regelmäßige dreijährige Verjährung eröffnet. Das BGB kennt neben der dreijährigen Frist Verjährungsfristen von zehn oder dreißig Jahren. Arbeitgeber sind vor diesem Hintergrund gut beraten, sich in diesem Bereich auf dem Laufenden zu halten und ihren - von der Rechtsprechung aufgestellten - Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen.