Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts: Bedeutsame Änderungen für die Praxis
Am 1. Januar 2023 wird das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021, verkündet am 12. Mai 2021 (BGBl. 2021 I, 882), in Kraft treten. In der umfangreichen Gesetzesänderung wurden 131 alte Paragraphen durch 113 neue Paragraphen ersetzt.
Die Eckpunkte der Reform werden im Folgenden kurz nach Rechtsgebieten sortiert dargestellt.
Familienrecht - Notvertretung unter Ehegatten in Gesundheitsangelegenheiten
Die neue Vorschrift § 1358 BGB k.F. regelt eine auf sechs Monate befristete gegenseitige Notvertretung unter Ehegatten in gesundheitlichen Angelegenheiten. Der vertretende Ehegatte erhält ein umfangreiches Auskunfts-, Einwilligungs- und Untersagungsrecht, bis hin zur Zustimmungsbefugnis in freiheitsentziehenden Maßnahmen bis zu sechs Wochen. Bei einer Ausübung der Vertretung hat der Arzt oder die Ärztin, welchem/r gegenüber die Vertretung ausgeübt wird, festzustellen, dass der Vertretene seine Gesundheitsangelegenheiten nicht selbst besorgen kann und sich schriftlich vom vertretenden Ehegatten versichern zu lassen, dass keine Ausschlussgründe - wie zum Beispiel Trennung oder ein gegensätzlicher Wille des vertretenen Ehegatten - vorliegen. Es besteht künftig die Möglichkeit, im Zentralen Vorsorgeregister einen Widerspruch gegen die Notvertretung eintragen zu lassen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 7, 2 Abs. 1 Satz 1 VRegV k.F.). Die Ärztinnen und Ärzte werden in Deutschland ein Auskunftsrecht hinsichtlich der im Zentralen Versorgungsregister gespeicherten Daten erhalten (§ 78b Abs. 1 BNotO k.F.; § 6 VRegV k.F.).
Betreuungsrecht - Einzug der Vorsorgevollmacht ins BGB
Die Versorgungsvollmacht wird erstmals mit dem § 1820 BGB k.F. im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert. Dabei dürfen Untersuchungen, Zwangsmaßnahmen und Unterbringungen des Vollmachtgebers nur angeordnet werden, wenn der Bevollmächtigte ausdrücklich schriftlich ermächtigt wurde, diesen Maßnahmen zuzustimmen. Eine pauschale oder allgemein formulierte Vollmacht genügt diesen Anforderungen nicht.
Die bevollmächtigte Person ist verpflichtet, das Gericht über die Existenz einer Vollmacht zu informieren und dem Gericht eine Abschrift auszuhändigen. Das Gericht kann einen Kontrollbetreuer bestellen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vollmachtnehmer gegen Vereinbarungen oder gegen den Willen des Vollmachtgebers verstößt. Darüber hinaus kann das Gericht die Ausübung der Vollmacht untersagen und die Herausgabe der Urkunde anordnen.
Das Betreuungsrecht wird künftig nicht nur auf das "Wohl des Betreuten" gestützt, sondern vom tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten getragen, der durch engmaschigen Kontakt zwischen dem Betreuer, dem Betreuten sowie den ihm nahestehenden Personen zu ermitteln sein wird. Darüber hinaus unterscheidet nun auch das Betreuungsrecht, wie es auch beim Familien- und Vormundschaftsrecht üblich ist, zwischen Personenangelegenheiten und Vermögensangelegenheiten des Betreuten.
Vormundschaftsrecht - Verknüpfung zwischen Personensorge und Vormundschaft
Einzelne Bereiche der Personensorge können künftig vom Vormund auf einen Pfleger übertragen werden und so die Verknüpfung zwischen Vormund und Pflegeperson stärken. Lebt ein Mündel "längere Zeit" bei einem Pfleger, so soll dieser auch über Angelegenheiten des täglichen Lebens entscheiden dürfen, wie zum Beispiel über medizinische Routinemaßnahmen und schulische Angelegenheiten. Künftig kann nur noch ein Vormund bestellt werden, es sei denn, es handelt sich um ein Ehepaar (§ 1775 BGB k.F.).
Das Gesetz teilt künftig die Pflegschaft in zwei Arten: Minderjährigenpflegschaft (§§ 1809-1813 BGB k.F.) und weitere Pflegschaften (§§ 1882-1884 BGB k.F.) bezüglich unbekannter Beteiligter, gesammelter Vermögenswerte und Abwesenheitspflegschaft. Eine Besonderheit stellt die neue Zuwendungspflegschaft bei Minderjährigen dar (§ 1811 BGB k.F.). Diese weist eine Ähnlichkeit mit der Testamentsvollstreckung auf. Bei Schenkungen, Zuwendungen auf den Todesfall oder von Todes wegen wird ein Pfleger für die Vermögensverwaltung bestellt, wenn der Zuwendende/Erblasser die Eltern von der Vermögensverwaltung ausschließt.
Erbrecht - Bündelung der Regelungen
Der neue § 1851 BGB k.F. bündelt die Regelungen zu betreuungsrechtlichen Genehmigungserfordernissen, welche derzeit noch in erbrechtlichen Vorschriften zu finden sind, in einer Norm. Darüber hinaus wird der alte § 1981 Abs. 3 BGB, Verpflichtung der Vorerben zur mündelsicheren Geldanlage, aufgehoben. Der stattdessen neu geschaffene § 240a BGB k.F. enthält eine Ermächtigungsgrundlage, wonach das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz in Rechtsverordnungen die Erforderlichkeiten zur Anlage festlegen kann.