Geschlossene Geschäfte, Kurzarbeit und Angst vor Insolvenzen nahezu überall auf der Welt und auch hierzulande. Deutschlands Wirtschaft leidet auch 2021 unter der Corona-Pandemie. Wie realistisch sind in diesem Kontext, und auch nach der Pandemie, coronabedingte Kündigungen? Gibt es Branchen, die besonders betroffen sind oder betroffen sein könnten? Und hebelt Corona das Kündigungsschutzgesetz aus?
Homeoffice-Pflicht ab dem 27.01.2021 nach der SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung
Ab dem kommenden Mittwoch, 27.01.2021, tritt die am 20.01.2021 von der Bundesregierung verabschiedete SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung in Kraft. Die am heftigsten umstrittene Neuregelung betrifft die Verpflichtung für Arbeitgeber, „den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen."
Die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgelegte SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung ist - zunächst - befristet bis zum 15.03.2021. Sie gilt - mit Ausnahme des § 2 Abs. 6 Corona-ArbSchV - für alle Arbeitgeber, unabhängig von der Beschäftigtenzahl.
Als verlässlicher Partner für Arbeitgeber möchten wir Sie kurzfristig über diese hochaktuellen Neuregelungen informieren und Ihnen nachfolgend einige der wichtigsten Fragen zur Corona-ArbSchV beantworten:
Welche - zunächst bis zum 15. März 2021 befristeten - Neuregelungen wurden beschlossen?
- Arbeitgeber müssen gemäß § 2 Abs. 1 Corona-ArbSchV die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes überprüfen und aktualisieren.
- Nach § 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV hat der Arbeitgeber alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen ist auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren.
- Betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen sind nach § 2 Abs. 3 Corona-ArbSchV auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren und nach Möglichkeit durch die Verwendung von Informationstechnologie zu ersetzen. Ist dies dem Arbeitgeber nicht möglich, sollen andere geeignete Schutzmaßnahmen (z. B. Lüftungsmaßnahmen und geeignete Abtrennungen) den Schutz der Beschäftigten sicherstellen.
- Arbeitgeber sind nach § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV verpflichtet, den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Homeoffice anzubieten, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Für Beschäftigte besteht allerdings keine Verpflichtung zur Annahme und Umsetzung des Angebots.
- Es gelten strengere betriebliche Arbeitsschutzregelungen für Abstände und Mund-Nasen-Schutz gemäß § 2 Abs. 5 und 6 Corona-ArbSchV:
Lässt sich die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen nicht vermeiden, darf für jede im Raum befindliche Person eine Mindestfläche von 10 m² nicht unterschritten werden, soweit die auszuführenden Tätigkeiten dies zulassen. Lassen die auszuführenden Tätigkeiten dies nicht zu, hat der Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen den gleichwertigen Schutz sicherzustellen, insbesondere durch Lüftungsmaßnahmen und geeignete Abtrennungen zwischen den anwesenden Personen.
In Betrieben ab 10 Beschäftigten müssen diese in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden.
Können die Anforderungen an die Raumbelegung nach § 2 der Corona-ArbSchV nicht eingehalten werden oder der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden oder bei ausgeführten Tätigkeiten mit Gefährdung durch erhöhten Aerosol-Ausstoß, müssen Arbeitgeber nach § 3 Corona-ArbSchV medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung stellen.
Was gilt hinsichtlich der Pflicht zum Angebot eines Homeoffice-Arbeitsplatzes?
Die umstrittenste Regelung der Corona-ArbSchV findet sich in § 2 Abs. 4. Die Regelung lautet: "Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen."
Noch während der Pressekonferenz zur Corona-ArbSchV am 20.01.2021 konnte der Bundesarbeitsminister nicht genau erklären, was die "zwingenden betriebsbedingten Gründe" im Sinne der Regelung genau sein sollen. In den - rechtlich freilich unverbindlichen - FAQs, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) noch am selben Tag "nachgeliefert" hat, sollen dies belegbare und nachvollziehbare betriebstechnische Gründe sein, insbesondere, weil ansonsten der übrige Betrieb nur eingeschränkt oder gar nicht aufrechterhalten werden kann. Als Beispiele werden angeführt:
- mit der (Büro-)Tätigkeit verbundene Nebentätigkeiten wie die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post
- die Bearbeitung des Warenein- und -ausgangs
- Schalterdienste bei weiterhin erforderlichen Kunden- und Mitarbeiterkontakten
- Materialausgabe, Reparatur- und Wartungsaufgaben (z. B. IT-Service)
- Hausmeisterdienste und Notdienste zur Aufrechterhaltung des Betriebes
- u. U. auch die Sicherstellung der Ersten Hilfe
Technische oder organisatorische Gründe und Versäumnisse, wie z. B. die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können i. d. R. allenfalls befristet (!) bis zur umgehenden Beseitigung des Verhinderungsgrunds geltend gemacht werden. Im Einzelfall können auch etwa besondere Anforderungen des Betriebsdatenschutzes als Verhinderungsgrund geltend gemacht werden.
Liegen betriebliche Gründe dafür vor, dass die Homeoffice-Maßnahme nicht umgesetzt werden kann, so muss der Arbeitgeber diese Gründe nach § 22 Abs. 1 ArbSchG auf Verlangen der zuständigen Behörde darlegen. Wir empfehlen Ihnen daher dringend, diese Gründe zu dokumentieren. Gleiches gilt für das Angebot sowie gegebenenfalls Ablehnung des Angebots durch den Arbeitnehmer - auch dies sollten Sie unbedingt dokumentieren.
Ein subjektives Klagerecht von Beschäftigten ist nicht gegeben. Die Arbeitsschutzbehörden der Länder sowie die Unfallversicherungsträger kontrollieren die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben.
Können Beschäftigte verpflichtet werden, Homeoffice zu machen?
Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, das Angebot des Arbeitgebers anzunehmen und umzusetzen. Umgekehrt steht Beschäftigten allerdings auch kein subjektives Klagerecht auf Homeoffice bzw. ein Angebot auf Homeoffice nach der Corona-ArbSchV zu. Etwas anderes kann sich aus (tarif-)vertraglichen Regelungen oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Dort kann durchaus eine die Arbeitnehmer bindende Regelung einer Tätigkeit im Homeoffice vereinbart werden.
Muss der Betriebsrat beteiligt werden?
Ohne Beteiligung des Betriebsrates - wenn ein solcher bei Ihnen existiert - ist die Tätigkeit im Homeoffice auch dann nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer zustimmt. Es handelt sich um eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG und, da sich häufig auch die Arbeitszeiten und die Arbeitsschutzvorrichtungen ändern, um einen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Vorgang. Hat der Betriebsrat nicht zugestimmt, kann der Arbeitnehmer die Arbeit im Homeoffice ablehnen.
Was sind "vergleichbare Tätigkeiten zur Büroarbeit"?
Das BMAS benennt als zur Büroarbeit vergleichbare Tätigkeiten in der Regel alle Tätigkeiten, die geeignet sind, unter Verwendung von Informationstechnologie aus dem Privatbereich der Beschäftigten durchgeführt werden zu können. Im Einzelfall können hierunter auch Tätigkeiten fallen, die ohne Informationstechnologie von zu Hause erbracht werden können.
Wie verhält es sich mit den räumlichen und technischen Voraussetzungen?
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber auch bei der Arbeit im Homeoffice für die Bereitstellung sicherer Arbeitsmittel zu sorgen. Er hat die Arbeitsbedingungen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu bewerten und entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen. Hierbei ist auch die notwendige Ausstattung des Arbeitsplatzes im heimischen Bereich des Beschäftigten zu bestimmen. Ausweislich der Begründung der Corona-ArbSchV ist es für die Umsetzung der Homeoffice-Regelungen erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung des Beschäftigten gegeben sind und zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten eine Vereinbarung bezüglich der Tätigkeit im Homeoffice getroffen wurde, beispielsweise im Wege einer arbeitsvertraglichen Regelung oder durch eine Betriebsvereinbarung. Die Ausgestaltung dieser Vereinbarung ist allerdings den Vertragsparteien freigestellt. Insbesondere besteht nach der Begründung der Corona-ArbSchV keine Vorgabe, einen Telearbeitsplatz gemäß § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung zu vereinbaren und einzurichten. Die Bereitstellung von Arbeitsmitteln kann daher auch durch den Beschäftigten erfolgen. Hierzu bietet es sich jedoch an, entsprechende Regelungen im Rahmen einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung oder einer Betriebsvereinbarung zu treffen, unter welchen Bedingungen Arbeitsmittel durch die Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden können.
Bis wann müssen Arbeitgeber die Maßnahmen umgesetzt haben?
Die Corona-ArbSchV wird am heutigen Freitag, den 22.01.2021, verkündet und tritt fünf Tage nach der Verkündung in Kraft, also am Mittwoch, den 27.01.2021. Bis dahin haben Arbeitgeber Zeit, die Corona-ArbSchV umzusetzen.
Welche Konsequenzen drohen Arbeitgebern, wenn sie die Maßnahmen nicht umsetzen?
Die Verordnung wurde auf der Grundlage des § 18 Abs. 3 ArbSchG erlassen. Die Sanktionsmöglichkeiten ergeben sich daher aus dem ArbSchG selbst:
- Anordnungsbefugnisse der Arbeitsschutzbehörden bis hin zur (vorübergehenden) Betriebsstilllegung, § 22 Abs. 3 ArbSchG. In der Regel ist aber eine Anordnung zur Beseitigung mit Fristsetzung erforderlich. D. h. nur bei erheblichen Gefährdungen der Belegschaft dürfte eine sofort vollziehbare Stilllegungsanordnung in Betracht kommen.
- Bußgeld bis zu einer Höhe von EUR 30.000,- bei einer Zuwiderhandlung gegen eine behördliche Anordnung, §§ 25 Abs. 2, 22 Abs. 3 ArbSchG.
- Straftat mit einer Strafandrohung von einer Strafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bei wiederholten Verstößen oder einer vorsätzlichen Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit eines Beschäftigten, § 26 ArbSchG.
Wie ist die aktuelle Verordnung des BMAS zu bewerten?
Die deutsche Wirtschaft hat in der bisherigen Corona-Pandemie überaus verantwortungsvoll gehandelt und ohnehin vielfach auf freiwilliger Basis Homeoffice-Regelungen mit den Beschäftigten vereinbart und praktiziert, wo dies möglich war. Die Corona-ArbSchV greift nach unserer Auffassung zu intensiv in die unternehmerische Freiheit und damit in die Grundrechte der Unternehmer ein. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund bedenklich, dass die Corona-ArbSchV kein formelles - vom Bundestag verabschiedetes - Gesetz ist, sondern eine (bloße) Verordnung des BMAS. Die Bundesregierung hat die Corona-ArbSchV auf § 18 Abs. 3 ArbSchG als Ermächtigungsgrundlage gestützt. Diese Regelung ist erst durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz vom 18.12.2020 in das Gesetz gekommen und ermöglicht der Bundesregierung, auch ohne Zustimmung des Bundesrates den epidemischen Lagen von nationaler Tragweite durch das BMAS spezielle Arbeitsschutzrechtsverordnungen für einen befristeten Zeitraum zu erlassen. Wir halten es für bedenklich, dass derart intensive Eingriffe in die unternehmerische Freiheit ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages verabschiedet werden.
Wir erwarten nicht, dass die Arbeitsschutzbehörden die Kapazität haben, Betriebe flächendeckend auf die Einhaltung der neuen Vorgaben zu kontrollieren. Dennoch raten wir Arbeitgebern angesichts der drohenden Sanktionen dringend dazu, die neu beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Arbeitgeber sollten unbedingt ihre Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes dokumentieren. Eine Dokumentation ist ebenfalls dringend anzuraten, wenn bei Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten aus Sicht der Arbeitgeber zwingende Gründe einem Homeoffice-Angebot entgegenstehen. Auch das Angebot sowie gegebenenfalls die Ablehnung des Angebots durch den Arbeitnehmer sollten unbedingt dokumentiert werden.
Die nun beschlossenen Maßnahmen werden nach unserer Einschätzung dazu führen, dass Arbeitnehmer und Betriebsräte künftig Arbeitgeber zu Verhandlungen über Homeoffice zwingen werden. Möglicherweise ist dies ein - nicht laut ausgesprochener - Grund für die Neuregelungen, bedenkt man, dass das BMAS bereits in der Vergangenheit mit Unterstützung der Gewerkschaften erfolglos versucht hat, einen Anspruch auf Homeoffice einzuführen (Mobile-Arbeit-Gesetz). Arbeitgeber sind jedenfalls gut beraten, mit Arbeitnehmern und Betriebsräten rechtssichere Vereinbarungen über Homeoffice zu treffen.
Wenn wir Ihr Unternehmen oder Ihre HR-Abteilung in der aktuellen Situation unterstützen können, zögern Sie bitte nicht, uns und unsere Arbeitsrechtsexperten anzusprechen.