Geschlossene Geschäfte, Kurzarbeit und Angst vor Insolvenzen nahezu überall auf der Welt und auch hierzulande. Deutschlands Wirtschaft leidet auch 2021 unter der Corona-Pandemie. Wie realistisch sind in diesem Kontext, und auch nach der Pandemie, coronabedingte Kündigungen? Gibt es Branchen, die besonders betroffen sind oder betroffen sein könnten? Und hebelt Corona das Kündigungsschutzgesetz aus?
Arbeitsrechtliche Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie
Die Zahl der Corona-Infizierten steigt stündlich. Die Coronavirus-Pandemie belastet die Wirtschaft derzeit zusätzlich und setzt Unternehmen unter Handlungsdruck. Für Unternehmen stellen sich aktuell zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen. Im Folgenden möchten wir Ihnen in Kürze einige Antworten auf die drängendsten arbeitsrechtlichen Fragen geben, die uns in den letzten Tagen vermehrt gestellt werden. Der nachfolgende Leitfaden ersetzt selbstredend keine Beratung im Einzelfall. Er soll Ihnen eine erste Orientierung und Handlungshilfe geben. Wenn Sie für Ihr Unternehmen oder Ihre HR-Abteilung weitergehende Informationen benötigen, zögern Sie nicht, uns anzusprechen.
Haben Mitarbeiter einen Anspruch auf Homeoffice? Können Arbeitgeber Homeoffice anordnen?
Aus Angst vor einer Ansteckung haben viele Arbeitnehmer derzeit den Wunsch, von zu Hause aus zu arbeiten. Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht jedoch nicht. Ein Anspruch von Mitarbeitern, von zu Hause aus zu arbeiten, kann sich aus einer (arbeits-)vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber sowie aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben. Die bloße Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken, berechtigt Arbeitnehmer jedoch nicht dazu, dem Arbeitsplatz fernzubleiben. Kommt der Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung nicht zur Arbeit, verliert er in der Regel auch den Anspruch auf das Gehalt für die Fehlzeit. Der Arbeitgeber ist darüber hinaus berechtigt, den Arbeitnehmer abzumahnen und letztlich sogar zu kündigen. Umgekehrt können auch Arbeitgeber das Arbeiten im Homeoffice grundsätzlich nur anordnen, wenn dies im Arbeitsvertrag oder im Rahmen einer Kollektivvereinbarung vereinbart wurde. Wir gehen jedoch davon aus, dass das Ausmaß der Corona-Pandemie zu besonderen gegenseitigen Treuepflichten im Arbeitsverhältnis führt. Dies führt nach unserer Auffassung dazu, dass Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern ausnahmsweise auch bei Nichtvorliegen einer arbeits- oder kollektivvertraglichen Regelung verlangen können, im Homeoffice zu arbeiten, sofern dies dem Mitarbeiter zumutbar ist und der Arbeitgeber die erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt. Rechtsprechung zu dieser Frage existiert aufgrund der einzigartigen Lage sowie der Aktualität der Krise naturgemäß nicht.
Dürfen Mitarbeiter zu Hause bleiben, weil sie Kinder betreuen müssen?
Kindergärten und Schulen sind derzeit in allen Bundesländern (zumindest) bis Mitte April 2020 geschlossen. Arbeitgeber sehen sich mit zahlreichen Ausfällen von Mitarbeitern konfrontiert, da diese ihre Kinder betreuen müssen. Arbeitnehmer müssen zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen. Hierbei sind etwa das Alter des Kindes oder die Möglichkeit der Betreuung durch das andere Elternteil zu berücksichtigen. Kann die erforderliche Betreuung der Kinder nicht anderweitig sichergestellt werden, dürfte dem Arbeitnehmer die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen unzumutbar sein und ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen. Dies bedeutet praktisch, dass der Arbeitnehmer von der Pflicht frei ist, seine arbeitsvertragliche Verpflichtung zu erbringen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Vergütungsfrage. Grundsätzlich gibt § 616 BGB dem Arbeitnehmer in solchen Fällen einen Anspruch auf die Vergütung trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung. Allerdings gilt dies nur bei einer kurzfristigen Verhinderung. Das Gesetz spricht insoweit davon, dass die Leistungsverhinderung nur "für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" andauert. Wie die Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs der verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit vorzunehmen ist, ist in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt. Die Rechtsprechung orientiert sich hierbei ganz überwiegend an dem Verhältnis von Dauer des Arbeits- und Dienstverhältnisses zur Dauer der Verhinderungszeit. Daraus folgt, dass der Zeitraum für eine Verhinderung umso länger sein kann, je länger bereits das Dienstverhältnis besteht. Es ist insgesamt fraglich, ob der Entgeltfortzahlungsanspruch in Zeiten der Corona-Krise greifen kann, wenn die Verhinderung länger andauert. Zudem ist der Entgeltanspruch aus § 616 BGB in vielen arbeits- oder tarifvertraglichen Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen.
Wir empfehlen, gemeinsam mit den Mitarbeitern kreative Lösungen zu finden, die sowohl Interessen des Unternehmens als auch der Mitarbeiter berücksichtigen. Diese können beispielsweise in Vereinbarungen über Homeoffice, flexiblen Arbeitszeitmodellen oder dem Abbau von Urlaubs- und Überstundenkonten liegen.
Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Entgelt(fort)zahlung in Zeiten der Corona-Krise?
Hierbei sind verschiedene Fälle zu differenzieren:
Bleibt ein Arbeitnehmer seiner Arbeit aus bloßer Angst vor einer Ansteckung fern, hat er keinen Anspruch auf eine Entgeltzahlung.
Im Fall einer Betriebsschließung etwa aus Gründen der Ansteckungsvorsorge bzw. Fürsorge zum Schutz der Beschäftigten bleibt der Arbeitgeber grundsätzlich weiter zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn die Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sind.
Ist ein Mitarbeiter aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus arbeitsunfähig erkrankt und somit an seiner Arbeitsleistung gehindert, hat er (den üblichen) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für einen Zeitraum von sechs Wochen (§ 3 EFZG). Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall setzt jedoch voraus, dass kein Verschulden des Beschäftigten vorliegt. Ein derartiges Verschulden kommt etwa in Betracht, wenn der Beschäftigte trotz einer bestehenden Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wegen entsprechender Ansteckungsgefahr privat in ein Risikogebiet gereist ist. Für Arbeitgeber stellt sich hierbei das praktische Problem, wie er dies in Erfahrung bringen kann. Bei entsprechenden Fragen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers betroffen. Nach unserer Einschätzung sind Arbeitgeber jedoch aktuell berechtigt, zu fragen, ob sich ein Arbeitnehmer in einer entsprechend gefährdeten Region aufgehalten hat. Weitergehende Fragen, z. B., wo genau der Arbeitnehmer den Urlaub verbracht hat, sind vom Auskunftsanspruch des Arbeitgebers allerdings nicht umfasst.
Muss ein Betrieb oder Betriebsteil aufgrund einer behördlichen Anordnung wegen eines infektionsschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots vorübergehend geschlossen werden, um die weitere Verbreitung von Krankheiten zu verhindern, erhalten die Beschäftigten nach § 56 Infektionsschutzgesetzt (IfSG) für die ersten sechs Wochen eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls. Diese Entschädigung hat der Arbeitgeber für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die Entschädigung bemisst sich grundsätzlich nach dem Netto-Arbeitsentgelt. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber jedoch auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Nach sechs Wochen erhalten Beschäftigte bei einem infektionsschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot Zahlungen (direkt) vom Staat in Höhe des Krankengeldes. Erkrankte fallen nicht unter die Entschädigungsregelung nach § 56 IfSG, da diese bereits Lohnfortzahlung nach dem EFZG im Krankheitsfall und anschließend Krankengeld erhalten. Die wegen der Schließung ausgefallenen Arbeitszeiten müssen durch die betroffenen Beschäftigten nicht nachgearbeitet werden.
Können Unternehmen aktuell Überstunden anordnen?
Diese Frage wirkt auf den ersten Blick fehl am Platze, da die meisten Unternehmen aktuell mit starkem Auftragsrückgang zu kämpfen haben. Die Frage ist jedoch berechtigt, wenn man sich die Situation vorstellt, dass Teile der Belegschaft z. B. aufgrund der Erkrankung oder eines infektionsschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots an der Arbeitsleistung verhindert sind und die Arbeitsbelastung durch die restliche Belegschaft aufgefangen werden muss. Der Arbeitgeber kann zur Vermeidung von Betriebsschließungen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in besonderen Situationen, wie z. B. Notfällen, auch einseitig Überstunden anordnen. Eine derartige Notsituation dürfte in der aktuellen Krise vorliegen, wenn Teile der Belegschaft aufgrund behördlicher Anordnung oder krankheitsbedingtem Ausfall nicht arbeiten können und dadurch eine betriebliche Notsituation entsteht. Den Arbeitnehmern, die diese besondere Arbeitsbelastung durch Überstunden auffangen müssen, steht in diesem Fall – sofern keine arbeits- oder kollektivvertragliche Regelung etwas anderes bestimmt – gemäß § 612 BGB ein Anspruch auf die Überstundenvergütung zu. Die Höhe der Vergütung richtet sich (vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung) nach der üblichen Vergütung.
Welche Änderungen wurden aktuell beim Kurzarbeitergeld beschlossen?
Kurzarbeit ist die vorübergehende Minderung der Arbeitszeit. Sie wird in der Regel durch Auftragsmangel oder durch technische Umstände veranlasst, sodass der Arbeitgeber entweder Entlassungen vornehmen oder verkürzt arbeiten lassen muss. Die zulässige Einführung von Kurzarbeit führt zu einer vorübergehenden Beschränkung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und der Vergütungspflicht. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nicht einseitig im Wege seines Direktionsrechts anordnen. Die Einführung von Kurzarbeit setzt entweder eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, eine wirksame Änderungskündigung oder eine Vereinbarung in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung voraus. Die Bundesregierung und der Gesetzgeber haben ein Maßnahmepaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus verabschiedet. Dieses sieht Sonderregelungen und Erleichterungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld vor. Diese Erleichterungen werden rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten und rückwirkend ausgezahlt. Das bedeutet, dass Unternehmen jetzt schon die verbesserte Kurzarbeit beantragen können.
Dazu werden die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erleichtert:
- Ein Betrieb kann Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten eines Betriebes von Arbeitsausfall betroffen sind. Diese Schwelle liegt bisher bei mindestens einem Drittel der Beschäftigten.
- Die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber für ihre kurzarbeitenden Beschäftigten allein tragen müssen, wird die Bundesagentur für Arbeit vollständig erstatten.
- Kurzarbeitergeld ist auch für Leiharbeitnehmer möglich.
- Auf den Abbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes wird vollständig verzichtet. Das bislang geltende Recht verlangt, dass in Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden.
Die weiteren Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld behalten ihre Gültigkeit.
Welche weiteren Gestaltungsmöglichkeiten haben Arbeitgeber im Zuge der Corona-Pandemie?
Um die Krisensituation zu meistern, sind Unternehmen in der aktuellen Krise gefragt, neue Wege zu gehen. Einige Maßnahmen haben wir in diesem Beitrag bereits angesprochen:
- Staatliche Entschädigungen nach dem IfSG bei infektionsschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten
- Anordnung von Überstunden
- Möglichkeiten von Homeoffice
- Kurzarbeit
Um Betriebsschließungen zu vermeiden, sind eine Reihe weiterer arbeitsrechtlicher Instrumente denkbar. Neben den bereits angesprochenen Maßnahmen stehen zahlreiche andere Flexibilisierungsinstrumente zur Verfügung, auf die zurückgegriffen werden kann. Nur einige davon seien hier genannt:
Abbau von Überstunden/Ausgleich von Zeitkonten:
Der Überstundenabbau/Ausgleich von Zeitkonten ist regelmäßig eines der ersten Instrumente, um Überkapazitäten in der Krise zu begegnen. Inwiefern der Arbeitgeber diese Freistellung einseitig anordnen kann, richtet sich nach den vereinbarten Regelungen.
Anordnung von Betriebsferien:
Unter Betriebsferien versteht man die komplette Schließung eines Betriebes für einen bestimmten Zeitraum unter gleichzeitiger Anordnung, dass während dieser Zeit Urlaub zu nehmen ist. Die Einführung von Betriebsferien unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrates. In betriebsratlosen Betrieben kann der Arbeitgeber Betriebsferien bei dringenden betrieblichen Belangen anordnen.
Nutzung vorhandener Flexibilisierungsinstrumente:
Die Nutzung vorhandener Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte kann ein Instrument zur Kostensenkung sein. Die Rechtsprechung hat jedoch einige Grenzen von Flexibilisierungen im Arbeitsverhältnis aufgezeigt, die im Einzelfall geprüft werden müssen.
Umstrukturierungen:
Die Zusammenlegung von Betrieben oder Unternehmen kann durch die Schaffung von Synergieeffekten ein Instrument zur Kostensenkung sein, ebenso wie eine Trennung von Betrieben oder Betriebsteilen zur strukturellen Bereinigung.
Outsourcing:
Es kann sich anbieten, bestimmte Tätigkeiten oder Unternehmensbereiche auszugliedern und fremd zu vergeben. Hier müssen im Einzelfall Fragen von Betriebsübergängen geprüft werden.
Stundungsvereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern:
Die Sozialversicherungsträger dürfen Beitragsansprüche stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Arbeitgeber verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird. Entsprechende Stundungsvereinbarungen verhandeln und entwerfen wir gerne auch für Ihr Unternehmen.
Personalabbau:
Sicherlich die schmerzhafteste und eine mittel- bis langfristige Maßnahme ist der Personalabbau. Dieser ist mit besonderen Belastungen verbunden und erfordert einen besonders sensiblen Umgang mit der Materie.
Mit unserer Erfahrung und unserem Know-how stehen wir gern an Ihrer Seite und unterstützen Sie bei der Findung kreativer Lösungen. Sprechen Sie uns bei Rückfragen gerne an.